Der Gnade auf der Spur 16

Hast du ein Problem mit Gnade?


Mit diesem »Impuls für gelebtes Gottvertrauen« beende ich meine kleine Serie zu dem Thema »Gnade – wo sie niemand sucht!«.
Während ich meine Gedanken niederschrieb, versuchte mir eine leise Stimme einzuflüstern: »Aber was ist mit …?«
»Was ist mit Gesetz?«
»Was ist mit Ungehorsam?«
»Was ist mit wiederholtem Fehlverhalten?«
»Was ist mit schlechten Gewohnheiten?«
»Was ist mit Gerechtigkeit?«
»Was ist mit Sündenbekenntnis?«
»Was ist mit Reue?«
»Was ist mit Buße?«
Sollte ich diese Reihe nicht doch mit einem Impuls über den Wert des Gehorsams und die Konsequenzen der Sünde abschließen? Schließlich können wir als gestandene Christen es nicht einfach zulassen, dass die Menschen herumlaufen und Gottes Gnade schamlos ausnutzen.
Doch ich entschied mich dafür, diese leise Stimme zu überhören, denn all diese Fragen sind völlig fehl am Platz, wenn es um die Gnade geht. Da gibt es überhaupt keine Verbindung.
Solche Gedanken in Ansprachen über die Gnade würden das Wesen der Gnade total verfälschen. Ich weiß nicht, ob es dafür ein Wort gibt. Vielleicht könnte man es »Fast-Gnade« nennen. Aber »Fast-Gnade« ist so ähnlich wie »fast wahr«. Wenn aber etwas nur fast wahr ist, ist es eben ganz unwahr. »Fast-Gnade« ist darum gnadenlos.
Das Wesen der Gnade ist dafür verantwortlich, dass die Gnade uns manchmal so schlecht zu fassen bekommt. Die christliche Religion hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder versucht, die Gnade zu manipulieren – etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen. Irgendwie müssen wir sie uns doch verfügbar machen.
Etwas in uns – das wir womöglich sogar Gerechtigkeit nennen – schreit auf: »Glaube kann doch nicht so einfach sein! Gnade muss doch auch irgendwo Grenzen haben«. Doch so sehr wir uns auch bemühen, Gottes Gnade irgendwie zu reduzieren, sie entzieht sich unserer Einflussnahme. Das ist frustrierend, ich weiß. Die Spannung zwischen
Gesetz und Gnade,
Gerechtigkeit und Gnade,
Fairness und Gnade,
hat in der Kirche von Anfang zu Differenzen mit Jesus’ Botschaft geführt. Doch Jesus selbst hatte damit keine Probleme. Eine Begebenheit, die Johannes berichtet, zeigt das sehr deutlich.
Am nächsten Morgen war er wieder früh im Tempelhof. Das ganze Volk kam zu ihm. Da setzte er sich hin und fing an, sie zu unterrichten. Mitten dort hinein zerrten die Theologen und die Pharisäer eine Frau, die sie gerade beim Ehebruch ertappt hatten. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu Jesus:
»Lehrer! Diese Frau ist soeben beim Ehebruch erwischt worden. Mose hat uns im Gesetzbuch das Gebot gegeben, solche Frauen durch die Steinigung zu töten. Und du, was sagst du dazu?«
Das sagten sie, um Jesus in eine Falle zu locken. Denn sie wollten einen Grund finden, um ihn anklagen zu können. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb etwas mit dem Finger auf die Erde. Doch sie stürmten weiter mit ihren Fragen auf ihn ein. Da sagte Jesus zu ihnen:
»Der von euch, der noch nie etwas Falsches getan hat, etwas, das gegen Gottes Gesetz ist, der soll als Erster einen Stein auf sie werfen!«
Dann bückte er sich wieder und schrieb etwas auf den Boden. Als sie das gehört hatten, gingen sie einer nach dem anderen fort. Dabei entfernten sich die Ältesten zuerst. So blieb die Frau schließlich allein in der Mitte übrig. Da richtete Jesus sich wieder auf und sagte zu ihr: »Frau, wo sind sie alle? Hat keiner das Urteil an dir vollstreckt?«
Sie antwortete: »Keiner, Herr!« Da sagte Jesus zu ihr: »So verurteile ich dich auch nicht. Geh nach Hause und lebe von nun an nicht mehr gegen Gottes Willen!«
Johannes 11,2-11; Das Buch, 2022
Jesus konnte einer beim Ehebruch ertappten Frau sagen: »Dein Tun war nicht richtig. Die Frommen und Gesetzestreuen meinen, du hättest dafür den Tod verdient. Von mir bekommst du, was deine Mitmenschen nicht für dich bereithalten und dir nicht gönnen: Gnade.«
Jesus versuchte nicht, Gnade und Gesetz, Gnade und Wahrheit sorgfältig für sie auszubalancieren. Er gab ihr die volle Dröhnung Gnade. Das ist von ganz entscheidender Bedeutung. Jesus’ Handeln hebt etwas hervor, das wir auf keinen Fall übersehen dürfen. Wenn wir Jesus Umgang mit der Gnade nicht einsehen, steuern wir automatisch auf eine verwässerte Form der Gnade zu – auf eine »Fast-Gnade« –, die mit Gottes Gnade absolut nichts mehr zu tun hat.
Mit diesem Wissen habe ich mich entschlossen, diese Reihe mit einer der bekanntesten Geschichte abzuschließen, die Jesus erzählt hat. Nirgendwo erklärt er deutlicher, wie sich Gottes Gnade zeigt, obwohl der Begriff selbst überhaupt nicht auftaucht. Wie fast immer lehrt Jesus mit einer Bildgeschichte – wir nennen es ein Gleichnis. Auch wenn dieses Gleichnis zu den bekanntesten Geschichten gehört, die Jesus erzählt hat, wurde es auch am meisten missverstanden.
In deiner Bibel ist der Abschnitt wahrscheinlich überschrieben mit: »Das Gleichnis vom verlorenen Sohn«. Doch dieser Titel führt in die Irre. Es ist nicht eine Geschichte über einen Sohn. Es sind die Geschichten von drei Personen. Damit wir das gesamte Bild vor Augen haben, lese ich den ganzen Bericht.
Dann sagte Jesus: »Es lebte einmal ein Mann, der zwei Söhne hatte. Der jüngere Sohn sagte zu seinem Vater: ›Vater! Gib mir von deinem Besitz den Teil des Erbes, der mir zusteht!‹ Da teilte der Vater seinen Besitz unter ihnen auf.
Kurze Zeit danach packte der jüngere Bruder alles zusammen und zog fort in ein weit entferntes Land. Dort verschwendete er seinen gesamten Besitz durch ein zügelloses Leben. Als er alles restlos aufgebraucht hatte, breitete sich eine schlimme Hungersnot in diesem Land aus. Da fing er an zu hungern und Not zu leiden.
So lief er los und hängte sich an einen Bürger dieses Landes. Der schickte ihn auf seine Felder, um dort die Schweine zu hüten. Sein ganzes Verlangen war nun darauf gerichtet, sich von den Speiseabfällen zu ernähren, die die Schweine zu fressen bekamen, aber keiner gab ihm etwas davon ab.
Schließlich kam er wieder zu sich und sagte: ›Mein Vater hat doch so viele Lohnarbeiter, die Nahrung in Hülle und Fülle haben! Doch ich komme hier vor Hunger um! Ich werde aufstehen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe Schuld auf mich geladen, gegenüber Gott und auch gegenüber dir! Jetzt steht es mir nicht mehr zu, als Sohn deinen Familiennamen zu tragen. Behandele mich stattdessen wie einen deiner Lohnarbeiter!‹
So stand er auf und kam zu seinem Vater zurück. Als er noch weit entfernt war, sah sein Vater ihn und wurde von Mitgefühl erfasst. Er rannte los und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: ›Vater, ich habe gottlos gehandelt gegen Gott und auch gegen dich. Ich bin nicht mehr würdig, als dein Sohn zu gelten!‹
Doch der Vater sagte zu seinen Dienern: ›Schnell, bringt die beste Kleidung herbei und kleidet ihn damit neu ein! Gebt ihm einen Ring für seinen Finger und Schuhe für seine Füße! Und bringt das gemästete Kalb herbei. Schlachtet es! Wir wollen essen und miteinander feiern! Denn er, mein Sohn, war tot und ist wieder lebendig geworden. Er war verloren und ist wiedergefunden worden!‹ Da fingen sie alle an, fröhlich zu feiern.
Währenddessen war sein älterer Sohn auf dem Feld. Als er in die Nähe des Hauses kam, hörte er die festliche Musik und den Tanz. Da rief er einen der Hausangestellten zu sich und fragte ihn, was da los sei. Der sagte: ›Das ist ein Fest, weil dein Bruder wiedergekommen ist. Dein Vater hat für ihn das gemästete Kalb schlachten lassen, weil er ihn wohlbehalten wiederhat!‹
Da wurde er sehr wütend und wollte nicht in das Haus hineingehen. Aber sein Vater kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte seinem Vater: ›Jetzt schau mal her! So viele Jahre mühe ich mich hier bei dir ab und arbeite und habe kein einziges Mal auch nur eine einzige Anweisung von dir missachtet! Aber mir hast du noch nie auch nur einen einzigen Ziegenbock gegeben, damit ich es mir zusammen mit meinen Freunden einmal gut gehen lassen kann! Jetzt aber, wo der da, dein Sohn, der deinen Besitz mit Prostituierten verprasst hat, wieder auftaucht, da hast du für ihn sogar das gemästete Kalb schlachten lassen!‹
Da sagte der Vater: ›Mein Kind! Du bist doch immer bei mir und alles, was mir gehört, gehört auch dir! Aber wir müssen uns doch freuen und so richtig feiern! Denn er, dein Bruder, war tot und ist jetzt wieder am Leben, er war völlig verloren und wir haben ihn wieder zurückbekommen!‹«
Lukas 15,11-32; Das Buch, 2022
Jesus machte es in der Einleitung deutlich: Diese Geschichte handelt von einem Vater und zwei Söhnen. Mit beiden wollte der Vater feiern, doch keiner von beiden hatte Lust dazu. So grundverschieden diese beiden Jungen auch waren, beide sträubten sich gegen die Feier, weil sie ihren Vater missverstanden hatten. Missverstanden im Hinblick auf sein Wesen und seine Motivation.
Der Anlass, warum Jesus dieses Gleichnis erzählt, ist die Brille, durch die wir es betrachten wollen.
Die sogenannten guten und besonders religiösen Menschen konnten es nicht richtig einordnen und stießen sich daran, dass Jesus so viel Zeit mit den unfrommen und nicht so guten Menschen verbrachte. Und er unternahm nichts, um die »Sünder« zum Gesetzesgehorsam zu führen. Ja, er verlangte nicht einmal, dass sie sich ändern müssen.
Die Pharisäer und die Schriftgelehrten waren darüber empört. »Dieser Mensch gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen!«, sagten sie.
Lukas 15,2; Neue Genfer Übersetzung, 2011
Das war für einen Rabbi ein absolutes Abkommen vom rechten Weg. Vermutlich waren auch die nicht so guten Menschen ein wenig verwirrt, denn ein Rabbi machte normalerweise einen großen Bogen um sie. Jesus dagegen suchte ihre Nähe.
Diese Geschichte läuft auf ihren Höhepunkt zu, als der jüngere, rebellische Sohn, der verlorene eben, sich endlich besinnt und nach Hause zurückkehren will. Er erwartet nicht, dass man ihn herzlich willkommen heißt. Und ganz bestimmt rechnet er nicht mit einer Party für ihn. Sein Wunschdenken geht mehr in die Richtung, als Tagelöhner arbeiten zu können und genug zu essen zu haben.
Als sein Vater ihn in die Arme nimmt, beginnt der Sohn also sein Anliegen vorzutragen, an dem er auf dem Weg nach Hause gefeilt hat. Er setzt an und kann doch seinen Text nicht zu Ende bringen:
Vater‘, sagte der Sohn, ‚ich habe mich gegen den Himmel versündigt und auch gegen dich; ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden.‘
Lukas 15,21; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Zum Teil vom Tagelöhner kommt er nicht mehr. Der Vater ignoriert seine Worte völlig und reagiert, als wäre sein Sohn als Kriegsheld heimgekehrt.
Doch der Vater befahl seinen Dienern: ›Schnell, holt das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an den Finger und bringt ihm ein Paar Sandalen! Holt das Mastkalb und schlachtet es; wir wollen ein Fest feiern und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot, und nun lebt er wieder; er war verloren, und nun ist er wiedergefunden.‹ Und sie begannen zu feiern.
Lukas 15,22-24; Neue Genfer Übersetzung, 2011
Auch wenn du weißt, wie die Geschichte endet, lege ich an dieser Stelle einmal eine Pause ein, um über einen Punkt nachzudenken, der nicht sofort ins Auge fällt. Eigentlich werden hier zwei verschiedene Geschichten erzählt. Auf den ersten Blick gibt es nicht einmal eine Verbindung zwischen ihnen.
Geschichte A: Einem aufsässigen Jungen – der seinen Vater zutiefst beleidigt hatte – geht das Geld aus seinem Anteil des Erbes aus. Er entschließt sich, wieder nach Hause zu gehen. Als er darüber nachdenkt, was er angerichtet hat, kommt er zu dem Schluss, dass er es höchstens verdient hat, ein Tagelöhner zu sein, und daher will er seinen Vater bitten, bei ihm arbeiten zu dürfen.
Geschichte B: Ein Vater hat lange nichts von seinem geliebten Sohn gehört. Dessen Schicksal ist ihm nicht bekannt. Plötzlich sieht er ihn, noch weit entfernt, nach Hause kommen. Er läuft ihm entgegen, umarmt ihn und organisiert eine Party, um seine Rückkehr zu feiern.
Wenn man den Sohn bäte, seine Geschichte zu erzählen, dann würde er wohl berichten, was er alles falsch gemacht hat und was für ein Dummkopf er gewesen ist.
Wenn man den Vater bäte, seine Geschichte zu erzählen, würde er sagen: »Mein vermisster Sohn ist wieder da! Jetzt wird gefeiert!«
Siehst du es, dass diese beiden Geschichten eigentlich nichts miteinander zu tun haben?
Ich versuche, das einmal zu übertragen.
Angenommen, du hättest einen Freund, dessen Sohn von Drogen abhängig ist. Tausende von Euro sind schon für Therapien ausgegeben worden. Der Sohn hat der Familie jahrelang Sorgen gemacht und sie in Schulden gestürzt. Er bricht eine Therapie wieder vorzeitig ab, dringt gewaltsam in das Haus seiner Eltern ein, stiehlt den Schmuck seiner Mutter und taucht für zwei Jahre irgendwo unter.
An einem Donnerstagnachmittag ruft dich dein Freund an und lädt dich zu einer Party für denselben Abend ein. Sein Sohn hat gerade an der Haustür geklingelt. Und jetzt organisiert er auf die Schnelle eine Feier, um die Wiederkehr des Jungen zu feiern.
Da hättest du doch ein paar Fragen, oder? Und zwar von der Sorte: Bist du dir sicher …?
… ob er sich wirklich geändert hat?
… ob er jetzt für immer zu Hause bleibt?
… ob er die nächste Therapie durchhält?
Wärst du versucht, deinem Freund vorzuschlagen, noch ein paar Wochen zu warten? Feiern kann man dann doch immer noch.
So könnte man tatsächlich denken, wenn man sich auf die Vergangenheit des Jungen konzentriert. Behalte diesen Gedanken im Hinterkopf, wenn wir nun zum Schluss dieses Gleichnisses kommen.
Da gibt es ja noch den älteren Sohn. Er war der brave. Er hielt sich immer an die Regeln. Alles machte er richtig. In der damaligen Kultur verkörperte er alles, was einen Vater stolz machen konnte.
Doch als er hört, dass sein Vater ein Fest für seinen rebellischen und verantwortungslosen Bruder organisiert, wird er so zornig, dass er sich weigert, das Haus zu betreten. Der Vater bittet ihn, doch mitzufeiern, da zählt der ältere Sohn alles auf, was der jüngere falsch gemacht hat. Das gipfelt dann in heftigen Vorwürfen gegen den Vater:
Du weißt doch: All die Jahre habe ich wie ein Sklave für dich geschuftet, nie war ich dir ungehorsam. Was habe ich dafür bekommen? Mir hast du nie auch nur einen Ziegenbock gegeben, damit ich mit meinen Freunden feiern konnte.
Lukas 15,29; Gute Nachricht Bibel, 2018
Was jetzt folgt, ist sehr eindrücklich. Wahrscheinlich ohne Absicht und ohne zu wissen, was er sagt, beschreibt der ältere Bruder die Gnade in ihrer reinsten Form.
Und nun kommt dieser Mensch da zurück, dein Sohn, der dein Vermögen mit Huren durchgebracht hat, und du lässt das Mastkalb für ihn schlachten!‹
Lukas 15,30; Neue Genfer Übersetzung, 2011
Der Vater erweist dem jüngeren Sohn genau das, was er aus menschlicher Sicht gerade nicht verdient hat.
Beide Söhne sind von ihrem Vater überrascht worden und der Vater von seinen Söhnen. Warum haben seine Söhne Probleme mit ihm? Warum wollen sie nicht die Freude mit ihm teilen?
Es sind drei verschiedene Geschichten über drei unterschiedliche Themen. Zwei handeln von zwei Jungen, die damit rechnen, das zu bekommen, was sie meinen verdient zu haben. Die dritte handelt von einem Vater, dessen Söhne ihn offensichtlich nicht verstehen. Beide Jungen sind der Meinung, der Vater müsse jedem das geben, was er verdient. Auflehnung bzw. Wohlverhalten müssen berücksichtigt werden.
Doch in der Geschichte des Vaters geht es nicht darum, was seine Söhne getan oder unterlassen haben. Die Basis für sein Verhalten und Handeln liegt auf einer ganz anderen Ebene. Der Vater fragt nicht: »Und was ist mit …?« Die guten oder nicht so guten Taten seiner Kinder hat er nicht im Blick. Das wissen wir aus den Worten, die Jesus dem Vater zum Ende des Gleichnisses in den Mund legte:
Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn …
Lukas 15,32; Einheitsübersetzung, 2016
Denn was? Jesus, erkläre uns einmal, warum du in dieser Geschichte den Vater so reagieren lässt, nachdem sich der jüngere Sohn so viel hat zuschulden kommen lassen.
Warum sollte er denn feiern und warum schon so bald? Und warum wird nicht erwähnt, dass der Sohn das Erbe verschleudert und Schande über die Familie gebracht hat? Warum? Warum das alles?
Jetzt mussten wir doch feiern und uns freuen! Denn dein Bruder war tot und ist ins Leben zurückgekommen, er war verloren und ist nun wiedergefunden.
Lukas 15,32; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Das ist der Grund. Ende des Gleichnisses. Das ist die Antwort auf die Frage, warum Jesus Sünder willkommen hieß und mit ihnen aß, ohne erst Forderungen zu stellen: Gott feiert vor allem geheilte Beziehungen.
Wir denken an Reue, Bekenntnis, Bitte um Vergebung, Bußübungen und Wiedergutmachung. Gott hat Versöhnung, Annahme, Kindschaft, Vergebung und Wiederherstellung im Sinn.
Wenn ein Mensch Gottes bedingungsloses Angebot der Gnade und Vergebung annimmt, geht die Party sofort los. Jesus sagte dazu:
Und solche Feste feiern die Engel Gottes jedes Mal, wenn ein Mensch, der Gefahr lief, verloren zu gehen, zu seinem Gott zurückfindet.
Lukas 15,10; Willkommen Daheim, 2009
Dass im Garten Eden die Beziehung zwischen Mensch und Gott zu Bruch ging, muss – menschlich gesprochen – Gott wohl ziemlich traurig gestimmt haben. Warum sollte es uns also überraschen, dass er wiederhergestellte Beziehungen feiert?
Vielleicht ähnelt deine eigene Geschichte der des jüngeren Bruders. Möglicherweise hast du dir beim Hören oder Lesen dieser Impulse die ganze Zeit gedacht: Ja, aber du weißt nicht, was ich getan habe. Du weißt überhaupt nicht, was für ein Mensch ich bin.
Vielleicht ähnelt deine Geschichte auch der des älteren Bruders. Hast du dich mit mir in Gedanken gestritten? Hast du das Gefühl, ich würde Sünder viel zu leicht davonkommen lassen? Du möchtest, dass ich ausgewogener argumentiere?

Ich bin mit dem Gleichnis noch nicht ganz fertig. Die Geschichte zwischen den Zeilen ist für mich am wichtigsten. Es ist die Geschichte des Vaters mit dir und mir.
Jesus offenbart Gottes Wesen. Jesus zeigt mit dieser Geschichte, was für Gott wichtig ist. Der Vater im Himmel – sein Vater, dein Vater und mein Vater – ist weder davon beeindruckt noch darüber verärgert, was du getan oder nicht getan hast oder was deiner frommen Meinung nach andere Leute tun oder lassen sollten. In Gottes Geschichte sind solche Fragen völlig bedeutungslos und fehl am Platz.
In Gottes Geschichte stehst du im Mittelpunkt einer Feier. Nicht das, was du als fromme Leistung vorzeigen möchtest, sondern du selbst als sein Kind.
Du warst verloren und wurdest gefunden.
Du warst tot, und nun bist du wieder lebendig.
Du warst blind, doch jetzt kannst du wieder sehen.
Du warst ein Sklave der Sünde, aber jetzt bist du freigekauft.
Das alles hat Jesus aus bedingungsloser Liebe für dich erledigt.
In deiner Geschichte suchst du nach Gründen, warum Gott dich lieben sollte. In deiner Geschichte wirst du immer wieder auf Gründe stoßen, warum er das eigentlich nicht tun kann.
Ich mache dir einen Vorschlag: Gib deine Fassung der Geschichte auf und nimm seine an. In seiner Geschichte liebt er dich, darum hat Jesus alle deine Schuld ausgelöscht. In seiner Geschichte liebt er dich, darum hat Jesus Gottes Erwartungen an dich zu 100 % erfüllt. In seiner Geschichte ist seine Liebe zu dir nicht mehr steigerungsfähig. In seiner Geschichte kann seine Liebe zu dir kein bisschen schwächer werden.
Es ist eine bessere Geschichte. Es ist eine wahre Geschichte. Es ist die Geschichte der Gnade.

Die Geschichte der Gnade von einem Gott, der dich feiern möchte!