Die radikale Gnade 5

Pech gehabt? Niete gezogen?

Kaufst du hin und wieder ein Los auf dem Jahrmarkt? Für dich oder für einen guten Zweck? Wie geht es dir, wenn du eine Niete ziehst? Ärgerst du dich darüber?
Fast jeder zehnte Einwohner Deutschlands spielt regelmäßig im Lotto und hofft auf den großen Gewinn.
Weißt du, wie viele Gewinnshows man sich wöchentlich im Fernsehen anschauen kann?

Was hat das mit Gnade zu tun?
Schleicht sich bei dir manchmal das Gefühl ein, dass die Errettung der Menschen eher ein Glücksspiel ist? Ist Gottes Reich ein himmlischer Lotteriebetrieb? Geht Gott – wie der Weihnachtsmann auf dem Weihnachtsmarkt – in der göttlichen Tombola mit seinem Eimerchen voller Lose von Mensch zu Mensch und wirbt: „Treten Sie näher! Gewinnen Sie ein Haus in der Stadt aus Gold! Jedes dritte Los gewinnt?“

Oder stell dir eine Reality-Show »Prädestination« vor.
»Die neue Staffel der ›Himmelwärtsgerichteten‹: ‚Vor den Toren Jerusalems‘. Wer wird das Kräftemessen um die Errettung für sich entscheiden? Kommt das Team »Auserwählte« oder das Team »Abgelehnte« weiter? Bleibe dran, während sich Gottes geheimnisvolle Entscheidungen entfalten!«

Klingt absurd, oder? Doch genau das ist die Seifenoper, die die Religion geschrieben hat – mit Gott in der Rolle des heiligen Moderators.

Ich möchte dich zu einem Spaziergang einladen, auf dem weniger begangenen Pfad der Prädestination. Dieser Pfad ist gesäumt von dornigen Missverständnissen und gelegentlich gibt es auch schlammige Löcher von schlechter Auslegung.
Doch wie die Sonne, die einen Weg durch das Laub der Bäume findet, strahlt ein heller Schein in das Dämmerlicht. Es ist eine so schockierende Ankündigung, dass sie nur von Gott kommen kann.

Ja, Gott hat diese ganze Welt so in seiner Liebe umfasst, …
Johannes 3,16; Das Buch, 2022

schreibt Johannes auf und nicht: »Gott hat einige wenige Prädestinierte in seiner Liebe erfasst, die zufällig das große himmlische Los gezogen haben».

Paulus schrieb seine Briefe nicht für geistlich elitäre Auserwählte, sondern um den ganz normalen Menschen eine Gruppenumarmung des Himmels anzukündigen. »Ihr seid alle eingeladen«, brüllt er durch die Jahrhunderte, »Juden, Heiden und sogar jene armen Seelen, die ohne Treibstoff auf der Autobahn liegen geblieben sind.“
Die wahre Herausforderung der Prädestination liegt nicht darin, dass die Rettung nur für einen kleinen auserwählten Kreis zugänglich wäre, sondern in Gottes atemberaubender Einladung der ganzen Welt. Das war eine unerwartete Wendung für die Juden.
Denke also beim Durchforsten der theologischen Dickichte und lehrmäßigen Gräben der Prädestination daran: Es geht nicht darum, herauszufinden, ob du zu den glücklichen Lotteriegewinnern gehörst. Es geht darum, die Wahrheit zu akzeptieren, dass die Lotterie von Anfang an manipuliert war – manipuliert zugunsten der Gnade, manipuliert für die Einbeziehung der Heiden, manipuliert, damit jeder die Chance hat, den Ruf zu hören und zu antworten.
Und falls du immer noch deine theologischen Rubbellose verkrampft festhältst und auf Gottes Erwählung hoffst: Entspann dich! Die Ziehung ist beendet, die Gewinner sind bekannt gegeben, und die Überraschung: Es gibt keine Nieten. Willkommen zur Party. Die Tür steht offen, der Tisch ist gedeckt, und die Eintrittskarte, die du brauchst, ist dein Vertrauen in Jesus vollendetes Werk. Du bist eingeladen, Vergebung, Freiheit und ein neues Leben in Jesus zu feiern – auf Kosten des Hauses. Also, lasst uns auf Gottes Liebe anstoßen, die so groß und absurd allumfassend ist, dass unsere Versuche, sie in Schrumpffolie zu verpacken und auf dem religiösen Markt zu verhökern, ins Leere laufen.
Und gerade als wir dachten, es könnte nicht besser werden, denken wir an Onkel Helmut Heinrich Waldemar, der Kette rauchend auf dem Sofa sitzt und sich immer noch den Kopf über den göttlichen Auswahlprozess zerbricht.
Weißt du was, Helmut Heinrich Waldemar? Auch für dich ist Platz am Tisch.

Es gibt auch ein Gegenstück zur Prädestination, das nicht weniger gefährlich ist. Das ist die Idee, dass jeder automatisch – ob er will oder nicht – die Ewigkeit in Gottes Gegenwart verbringen wird oder muss. Darum ist es höchste Zeit, sich mit der fantasievollen Vorstellung auseinanderzusetzen, dass jeder, egal woran er glaubt, auf der himmlischen Rolltreppe zur Herrlichkeit fährt. Ob es nun um regelrechten Universalismus geht oder um das beschönigende »Keiner geht leer aus«-Evangelium, es ist nichts weiter als ein frommes Märchen.
Als Johannes von Jesus sagte,

Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt.
1. Johannes 2,2; Einheitsübersetzung, 2016

verteilte er damit keine Freikarten, um die Hölle zu umgehen. Er feierte, dass auch Nichtjuden zum Festmahl der Erlösung eingeladen sind. Dies war kein pauschaler Hinweis auf universelle Erlösung, sondern vielmehr eine jubelnde Verkündigung, dass die Gästeliste länger geworden ist, nicht das Tor breiter.

Und was ist mit Paulus‘ Aussage?

Darum geht es: Gott war im Messias und hat die gesamte Welt mit sich selbst versöhnt und hat ihnen ihre Übertretungen nicht angerechnet.
2. Korinther 5,19; Das Buch, 2022

Das klingt doch wie der Traum eines Universalisten, oder? Doch Paulus war noch nicht zu Ende:

Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!
2. Korinther 5,20; Zürcher Bibel, 2007

Versöhnung ist keine Einbahnstraße. Ja, Gott hat seinen Zug gemacht. Doch nun sind wir an der Reihe, uns für das Evangelium zu öffnen.
Jesus selbst hat es nicht beschönigt:

Wer sein Vertrauen auf den Sohn setzt, der hat das unzerstörbare Leben. Wer aber nicht auf den Sohn vertrauen will, der wird das Leben nicht einmal zu Gesicht bekommen. Dann bleibt Gottes Nein über ihm bestehen.
Johannes 3,36; Das Buch, 2022

Ziemlich einfach, findest du nicht? Kein Vertrauen, kein Leben. Keine Reaktion auf die Einladung, keine Rettung.
Jesus sprach von zwei Wegen: einem schmalen, der zum Leben führt, und einem breiten, der ins Verderben führt. Wenn alle im selben Bus zum Himmel sitzen, warum sollte man dann überhaupt einen Weg ins Verderben erwähnen?
Jesus’ Gleichnis von den Schafen und Böcken ist eine weitere eindringliche Mahnung. Er sagte nicht: »Jetzt ist jeder ein Schaf, herzlichen Glückwunsch!« Nein, er legte eine endgültige Abrechnung dar, bei der das Vertrauen die Trennlinie bildet und in »ewiger Strafe« für die Böcke und »ewigem Leben« für die Schafe gipfelt.
Wäre die universelle Erlösung wahr, wäre dieses Gleichnis so sinnlos wie Sonnencreme um Mitternacht.

Das Neue Testament ist voller Warnungen vor den Folgen des Unglaubens.

Paulus beschreibt betrügerische Menschen, deren Ende ihren Taten entspricht [2. Korinther 11,13-15].
Petrus warnt, dass Gott die Ungerechten für den Tag des Gerichts unter Strafe hält [2. Petrus 2,4-10].
Die Offenbarung zeichnet ein anschauliches Bild des Endgerichts, bei dem jeder, der nicht im Buch des Lebens steht, in den Feuersee geworfen wird [Offenbarung 20,12-15].

Ernüchternde Worte, oder?
Petrus ruf der Menge zu:

Also kehrt um und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden …
Apostelgeschichte 3,19; Einheitsübersetzung, 2016

Wenn Sünden automatisch getilgt werden, warum dann dieser Aufruf? Die Aussage ist eindeutig: Ohne Buße – also indem man seine Meinung darüber ändert, wer Jesus ist, und an ihn glaubt – gibt es einfach keine Vergebung, egal wie logisch und rosig unsere Theologie ist.

Wir können den ganzen Tag darüber diskutieren, dass manche keine Gelegenheit hatten, das Evangelium zu hören, und wenn Gott gerecht ist, muss er Schlupflöcher vorgesehen haben. Wir könnten uns aber auch auf den Charakter dessen verlassen, der unfassbar gut ist und den Menschen stärker liebt, als wir es je könnten. In diesem Vertrauen dürfen wir zur Ruhe kommen.
Vielleicht sollten wir einfach Gott das überlassen, wovon wir keine Ahnung haben. Das ist viel besser, als die Menschen mit leeren Versprechungen in die Irre zu führen.
Die universelle Erlösung mag für eine tröstliche Gutenachtgeschichte gut sein, sie entspricht aber nicht der Wahrheit des Evangeliums.
Es steht viel auf dem Spiel und die Botschaft könnte nicht klarer sein. Erzählen wir also der Welt, was Jesus für sie getan hat, und bitten wir sie, eine Antwort zu geben, bevor es zu spät ist. Es ist höchste Zeit für ein ehrliches Gespräch.

In den vielen religiösen Gruppierungen finden theologische Grabenkämpfe statt und die kirchlichen Besonderheiten werden zur Schau gestellt. Dabei scheint eine einzigartige, umwandelnde Wahrheit über den Rand gedrängt worden zu sein: die überwältigende, Religionen sprengende Lehre der totalen Vergebung. Ja, du hast richtig gehört. Totale Vergebung.

Vergangene Fehler? Ausgebügelt.
Aktuelle Patzer? Nicht wahrgenommen.
Zukünftiger Fehltritt? Im Voraus gestrichen.

Das ist nicht Omas Methode: »Bete drei Ave-Marias und versuch, ein bisschen weniger zu sündigen!« Wir reden hier über die einzige Anlaufstelle für Sündenbeseitigung. Sie macht uns weißer als eine Waschpulverwerbung – aller Ruhm gebührt Jesus.
Und doch scheint diese Säule des christlichen Glaubens auf dem Dachboden der Religion zu verstauben, direkt neben deiner Begeisterung für Evangelisation und der Auflaufform, die du vom Potluck hast mitgehen lassen. Ja, auch das ist dir vergeben.
Bevor du jetzt dein Liebgewonnenes umklammerst und mich erneut beschuldigst, mit »billiger Gnade« hausieren zu gehen, wollen wir uns an eine Aussage von Paulus erinnern:

Was sollen wir jetzt sagen? Etwa: Dann lasst uns doch bewusst Schuld auf uns laden, damit die unverdiente Gnade noch deutlicher herauskommt!?
Auf gar keinen Fall! Wir sind doch in Bezug auf die Schuld gestorben. Wie können wir dann noch länger unser Leben in ihr führen?
Römer 6,1-2; Das Buch, 2022

Paulus widerlegt vorsorglich die Vorstellung, Gnade sei eine Startberechtigung für die Sündenolympiade. Gnade ist keine Lizenz zum Sündigen, sondern das Dynamit, das die Sünde in tausend Stücke sprengt. Durch Gnade sterben wir mit Jesus und erwachen als neuer Mensch mit einer Allergie gegen Sünde und einer Sucht nach Gerechtigkeit.
Schockierend, ich weiß. Deshalb kann ein solcher Mensch mit völliger Vergebung umgehen, sogar für zukünftige Sünden. Warum? Weil er nicht mehr sündigen will. Das ist der Schlüssel.

Der »Alte Bund« war wie eine Ratenzahlung zur Sündenbewältigung – ein nie endender Kreislauf von Schuldscheinen, die mit Vieh ausgelöst wurden. Erfolgreich? Nicht einmal annähernd. Wirksam? Nur, indem er zeigte, wie dringend wir ein besseres Geschäft brauchten.

Da kommt Jesus ins Spiel, Gottes Lamm, sein Soloauftritt am Kreuz hat das Thema Sünde ein für alle Mal erledigt. Keine weiteren Tiere sind nötig. Eine Fortsetzung ist nicht geplant.
Und wir im »Neuen Bund«? Wir ringen die Hände und fragen uns, ob Jesus’ einmalige Vergebung vielleicht zu schön ist, um wahr zu sein.
Es ist, als würden wir in einem Spiel darauf warten, dass die Ereigniskarte uns auffordert: »Überraschung! Bitte um Vergebung für deine letzte Sünde, gehe dann auf das nächste rote Feld!« Aber das ist nicht das Spiel von Jesus. Er setzte sich neben seinen Vater und signalisierte damit, dass die Arbeit getan und der Sieg errungen war.

Trotzdem dröhnt das Rauschen der Ungewissheit noch immer durch unsere Kirchenlautsprecher. Es ist, als hätten wir uns eingeredet, das Kreuz sei eher der Auftakt als das große Finale gewesen. Das schafft eine Kultur geistlicher Wahnvorstellungen, in denen sich unsere Beziehung zu Gott wie ein zu erwartender Börsencrash anfühlt, statt wie die felsenfeste Garantie, die es in Wirklichkeit ist.

Pastoren, geistliche Lehrer und selbsternannte Wächter der Gnade sollten ihre Bibeln entstauben, in den Konkordanzen stöbern und zurück zum Wesentlichen kommen: Die Verkündigung von Gottes unverfälschter, skandalös großzügiger Gnade – die Art, die Ketten sprengt, Leben neu gestaltet und Gefängnistüren aufreißt.

Bist du noch schuld geplagt? Atme tief durch, zieh die Schuhe des Zweifels aus und lass dich auf Jesus’ vollendetes Werk ein. Deine Fahrkarte ist gültig, deine Schuld ist beglichen und deine Zukunft ist so strahlend, dass du eine himmlische Sonnenbrille brauchst.

Wir weben ein verworrenes Netz, wenn wir uns erst einmal daran gewöhnt haben, die Gnade falsch zu verstehen. Als selbsternannter Wächter einer Gnade, von der du befürchtest, sie könnte außer Kontrolle geraten, hast du es irgendwie geschafft, das befreiende Evangelium von Jesus in ein geistliches »Alle-Vögel-fliegen-hoch«-Spiel zu verwandeln – nur ohne den Spaß.

Wir wollen einen Moment in die blutige Realität des »Alten Bundes« eintauchen – hier gibt es keine Altersfreigabe. Hebräer 9 nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, uns daran zu erinnern, dass es ohne Blutbad keine Sühne für Sünden gibt:

Nach dem, was im Gesetz steht, gibt es fast nichts, was nicht durch Blut gereinigt werden muss. Und es gilt in der Tat: Schuld wird nicht vergeben, wenn nicht Blut dafür fließt.
Hebräer 9,22; Gute Nachricht Bibel, 2018

Doch hier ging es nicht um eine göttliche Faszination für das Makabre. Es war eine riesengroße Warnung vor der Schwere unserer Rebellion und dem erschreckenden Preis, den wir zahlen müssen, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.

Spulen wir vor zum »Neuen Bund«, und was finden wir dort? Das ultimative Opfer.
Jesus haucht nicht »Es ist vollbracht«, als würde er sich nach einem langweiligen Tag im Büro verabschieden. Nein, dies war der kosmische Schlusspunkt aller kosmischen Schlusspunkte. Er beendete das gesamte System der Tieropfer und läutete einen neuen Gnadenbund ein, der so tiefgreifend ist, dass er uns seit Jahrtausenden vor Rätsel stellt.

Und hier wird es etwas heikel. Trotz dieses alles veränderndes Ereignisses scheint unsere moderne religiöse Maschinerie entschlossen, genau den Kreislauf, den Jesus beendet hat, neu zu starten.

Sowohl das Team Katholiken als auch das Team Protestanten tappen trotz ihrer Rivalität in der theologischen Deutungshoheit oft in dieselbe alte Falle: Sie tun so, als wäre Jesus’ einmaliges Opfer nur der Auftakt zu einem nie endenden geistlichen Zyklus aus Beichte, Buße und Bitten um Vergebung gewesen. Es ist, als wollten wir die Gnade in Raten abbezahlen, mit einem »Ave-Maria« oder einem »reumütigen Bekenntnis« nach dem anderen.

Dieses unaufhörliche »Do-It-Yourself-Vergebungsprojekt« geht nicht nur am eigentlichen Thema vorbei, sondern verpasst Jesus und dem Evangelium der Gnade einen gehörigen Tritt.
Dabei drückt der Schreiber des Briefes an die Hebräer es so klar aus:

Denn mit diesem einen Opfer hat er alle, die sich von ihm heiligen lassen, völlig und für immer von ihrer Schuld befreit.
Hebräer 10,14; Neue Genfer Übersetzung,2011

Jesu einmaliges Opfer hat uns vollkommen vergeben und für immer gereinigt. Es sind keine Spielchen mit der Sünde mehr nötig. Und doch schleppen wir unsere Schuld mit uns herum wie ein Ehrenabzeichen, als ob jeder Fehltritt eine neue Portion Vergebung erfordert, persönlich geliefert per DHL wegen unserer Unterwürfigkeit. Das ist keine Demut; es ist Erinnerungsverlust – wir vergessen, dass »Es ist vollbracht« genau das bedeutet, was es sagt.

Unsere Reinigung ist erledigte Sache, kein Haustürverkauf, bei dem wir jedes Wochenende hoffen, ein neues Stück Vergebung zu ergattern.
Unsere Fehltritte sollten uns tatsächlich betrüben – nicht, weil wir Sorge haben müssten, Gottes Bilanz aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben, sondern weil sie uns an die große Liebe erinnern, die uns bereits entgegengebracht wurde.
Wenn Jakobus seine Leser auffordert,

Darum bekennt einander eure Sünden …
Jakobus 5,16; Einheitsübersetzung, 2016

geht es nicht darum, Gottes Vergebung zu erlangen, sondern darum, ehrlich miteinander umzugehen. Hier wird keine himmlische Transaktion angesprochen, sondern ein Beziehungsgewinn mit vertrauten Freunden.
Die Vorstellung eines Tauschgeschäfts – Gott bekommt meine Sünden und ich hoffe, dass ich Straferlass bekomme, ist ein tragisches Missverständnis. Uns wird nicht vergeben, weil wir uns gut entschuldigen können; uns ist vergeben, weil Gott überaus gütig ist.
Das ist kein Freibrief, Weltrekorde im Sündigen aufzustellen, sondern eine Einladung, frei zu leben, von der Gnade angetrieben, Gott zu verherrlichen. Ein kleiner Tipp: Wer weiß, dass er rein ist, wird sich auch rein verhalten.
Was könnte nützlicher sein, als unsere theologische Brille abzulegen und einen langen, tiefen Blick auf Jesus am Kreuz zu werfen. Er ist die endgültige Brücke zwischen unserem Schlamassel und seiner Barmherzigkeit. Unser Leben sollte nicht ein verzweifeltes Ringen um Vergebung sein, sondern ein freudiger Weg, der in der felsenfesten Wahrheit unserer ewigen Reinheit vor Gott verwurzelt ist. Es ist wirklich vollbracht!

In einer Welt voller geldwerter Beziehungen und Liebe, die Bedingungen stellt, erscheint uns die Vorstellung einer Vergebung »ein für alle Mal« fast fremd. Doch genau darin liegt das Wesen des Vertrauens, das Fundament unseres Glaubens und der Weg aus der Gefangenschaft unter der Sünde.
Es geht nicht um das Chaos, das wir seit unserer letzten tränenreichen Beichte angerichtet haben, oder um die Sünden, die wir in Momenten der Verzweiflung aufzählen. Nein, es geht um eine Gnade, die so skandalös und unerhört ist, dass der Zweifel heimatlos wird. Schuld wird vertrieben und der endlose Kreislauf aus Beichte, Vergebung und Rückfall findet ein jähes Ende.
Hast du dir schon mal klargemacht, wie dreist es ist zu glauben, dass unsere Sünden – vergangene, gegenwärtige und sogar die, die noch in uns schlummern – durch Jesus einmaligen Tod am Kreuz auf Golgatha bereits vergeben und völlig ausgelöscht sind. Das ist nicht der Stoff von Legenden oder das Geflüster von Wunschdenkern. Es ist die kühne Erklärung der Boten der Gnade, die Gott gesandt hat. Diese Botschaft hallt im Raum der Ewigkeit und in der Stille unserer Herzen wider.

Auch Christus hat einmal für die Sünden gelitten, der Gerechte starb für die Ungerechten, um uns zu Gott hinführen zu können. Als Mensch wurde er getötet, durch den Geist aber wieder lebendig gemacht.
1. Petrus 3,18; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Denn mit einem einzigen Opfer hat er die für immer vollendet, welche geheiligt werden.
Hebräer 10,14; Schlachter Bibel, 2000

In dieser schockierenden Realität der Vergebung zu leben, macht aus kriechenden Sündern, die dem Ablass nachjagen, Heilige, die in Jesus’ unerschütterlichen Gerechtigkeit verankert sind. Das ist kein Freibrief für Bequemlichkeit, sondern ein Aufruf, unsere Tage, angetrieben vom Heiligen Geist, in lebendiger Dankbarkeit zu leben.
Stell dir die Freiheit vor, zu wissen, dass dein Fehltritt keinen Eintrag ins Sündenregister nach sich zieht, der bereinigt werden muss, sondern eine Gelegenheit ist, dich an Gottes Gnade zu erinnern und dein Denken an seiner Perspektive auszurichten. Wenn wir uns dieser Wahrheit verschließen, geraten wir in einen Teufelskreis geistlicher Unsicherheit, in dem sich unsere Beziehung zu Gott so wackelig anfühlt wie eine Sandburg bei auflaufendem Wasser. Diese Ungewissheit wird genutzt, dich aufzufordern, dich neu zu weihen, mehr zu bekennen, mehr Vergebung zu erflehen. Sie verwandelt unser Leben in Jesus auf die Konzentration auf Sünden, die bereits für immer vergeben sind.
Schon David wurde die Erkenntnis geschenkt:

So fern der Osten vom Westen liegt, so weit entfernt er die Schuld von uns.
Psalm 103,12; Gute Nachricht Bibel, 2018

Gehe nach Osten, und du wirst für immer ostwärts gehen; aber gehst du nach Norden, kommst du wieder in den Süden. Ost und West treffen sich nie. So weit sind deine Sünden von dir getrennt – für immer unerreichbar, sie kommen nie wieder zurück.
Das ist nicht eine höfliche Lücke – es ist eine kosmische Kluft. Wir besitzen eine Freiheit, die uns zu einem Leben einlädt, in dem wir nicht als Verbrecher auf ein Urteil zu warten, sondern als freudige Erben eines ewigen Königreichs.
Wenn wir das bedenken, sollten unsere Versammlungen zu Zentren der Gnade werden. Die von der Religion Erschöpften sollen Ruhe finden und die Ausgestoßenen und die Übersehenen Zugehörigkeit erfahren. Wenn wir diese Gnade verkörpern, wirken wir den weltlichen Vorstellungen von bedingter Annahme und leistungsbasiertem Wert entgegen. Unsere Gemeinden sind keine Gerichtssäle, sondern Hallen der Barmherzigkeit, wo jedes Herz an seinen Wert in Gottes Augen erinnert wird. Diese Art radikaler Gastfreundschaft, die auf unserer vollkommenen Vergebung gründet, verändert Gemeinschaften nicht nur – sie gibt ihnen eine Vorschau auf den Himmel. Deine Sünden sind nicht nur vergeben – sie sind vergessen, weggespült vom Meer von Gottes unergründlicher Gnade, ohne dass ein Rettungsanker in Sicht wäre.
Ein Jesusnachfolger hat nicht die Aufgabe, alte Fehler wieder aufzuwärmen oder in ständiger Unterwürfigkeit zu leben, sondern die Freiheit, die Jesus so teuer erkauft hat, voll und ganz zu genießen.

Wir wollen die umwandelnde Kraft einer Liebe offenbaren, die so überwältigend ist, dass sie die Zeit überdauert, die Sünde überrollt und selbst unsere kühnsten Träume in den Schatten stellt.

Bist du dabei?