Die radikale Gnade 4

Gerettet zu werden, ist doch so einfach!

In meinen »Impulsen für gelebtes Gottvertrauen« geht es mir um die radikale Seite der Gnade. Ich spüre den religiösen Praktiken nach, die der Gnade im Weg stehen und deshalb radikal ausgemerzt werden müssen. Manchmal handelt es sich um Liebgewonnenes, manchmal ist es etwas für »Spezialisten«.

Die Spezialität, mit der ich diesen Impuls beginne, finden wir im evangelikalen Christentum. Sie ist als die sogenannte »Lordship Salvation« bekannt.
Da Englisch die Sprache der zeitgenössischen Christenheit zu sein scheint, gibt es keine sinnvolle Übersetzung ins Deutsche.

Die Befürworter dieser Lehre betonen, dass Jesus nicht nur als Retter, sondern auch bewusst und ausdrücklich als Herr angenommen werden muss. Wahre, rettende Bekehrung sei ein Bekenntnis in aller Form zum Gehorsam und zur Unterordnung.

Als Glaubenssatz ist das eine trügerische Annahme, die das Evangelium verfälscht und Gläubige in ständiger geistlicher Angst zurücklässt.
Ich möchte zunächst mal Folgendes klarstellen: Jesus ist der Herr. Er war es schon immer und wird es immer sein. Als du ihn um Rettung anriefst, hast du sein »Herrsein« automatisch angenommen.
Es gibt keinen besonderen, magischen Moment, in dem du ihn zu deinem Herrn »machen« musst, um gerettet zu werden.
Das wäre, als ob du sagen würdest: „Ich mache die Sonne scheinend, oder ich mache das Wasser nass.“ Lächerlich, oder? Jesus ist der Herr, weil er Gott ist, nicht weil wir etwas tun.

Das Problem mit der »Lordship Salvation« besteht darin, dass sie Rechtfertigung mit Heiligung verwechselt und Vertrauen in Jesus mit religiöser Leistung vermischt.

Denn aus Gnade seid ihr gerettet – durch Glauben. Dazu habt ihr selbst nichts getan, es ist Gottes Geschenk, nicht euer eigenes Werk. Niemand soll damit angeben können.
Epheser 2,8-9; Neue evangelistische Übersetzung, 2025

Rettung ist ein Geschenk. Sie ist kein Kredit, den man durch »gute Taten« zurückzahlen muss. Warum macht Religion Gottes Einladung für alle zu einem Hindernislauf zu Jesus für Auserwählte? Und wenn Jesus einmal angenommen ist, warum sollte die Rettung dann eine vereiste Straße sein, von der man in den Graben rutscht?

6Vertraust du darauf, dass das, was Jesus getan hat, ausreicht? Dann jage die »Lordship Salvation« vom Hof, und fromme Bemühungen gleich mit.

Ist dir aufgefallen, dass Religion dazu neigt, fast jeden Aspekt des Glaubens schwer zu machen? Der religiöse Mensch ist wohl nicht zufrieden, solange die Rettung nicht von den eigenen Fähigkeiten abhängig ist.
Wenn du meinst, dich ständig Jesus neu unterordnen zu müssen, wirst du bei jedem Fehltritt fragen, ob er noch der Herr deines Lebens ist. Und wie gewinnst du ihn zurück? Zwölf weitere Bibelstunden? Drei zusätzliche Versammlungen? Sechs weitere Menschen missionieren? »Ich unterwerfe mich!« wie einen Zauberspruch aufsagen?
Nein, diese Vorstellung ist Aberglaube. Jesus ist von Natur aus der Herr, und dein Vertrauen in ihn beweist das.

Die »Lordship Salvation« führt zu einer frommen Nabelschau. Die zieht Gesetzlichkeit nach sich. Eine fehlgeleitete Betonung von Leistung statt Gnade macht das Evangelium zu einer belastenden Checkliste statt zu einer befreienden Wahrheit. Und die Vorstellung, man müsse eine lange Liste guter Taten vorweisen, um seine Erlösung zu beweisen, ist nichts anderes als geistliche Sklaverei.
Du weißt doch, dass Jesus der Herr ist, oder? Er braucht dich nicht, um ihn zum Herrn zu machen.

Eine wesentliche Schwachstelle der »Lordship Salvation«ist, dass sie die Heilsgewissheit untergräbt. Johannes bezeugt:

Ich habe euch diese Dinge geschrieben, um euch in der Gewissheit zu bestärken, dass ihr das ewige Leben habt; ihr glaubt ja an Jesus als den Sohn Gottes.
1. Johannes 5,13; Neue Genfer Übersetzung, 2011

Gewissheit kommt aus dem Vertrauen auf Jesus’ vollkommenes und vollendetes Werk, nicht aus religiösen Mantras.
Wir sollten sehr misstrauisch werden, wenn die Idee aufflackert, wir müssten vollenden, was Jesus begonnen hat. Entweder ist es vollendet oder nicht. Entweder hat Jesus es geschafft oder nicht.
Es ist Zeit, die Wahrheit anzunehmen, die uns frei macht, und die ermüdende, trügerische Vorstellung aufzugeben, wir müssten zu Jesus’ vollendetem Werk noch etwas hinzufügen.

Das Evangelium ist verblüffend einfach: Jesus hat alles getan. Fehlerlos. Keine Wiederholungen nötig. Als er rief: »Es ist vollbracht«, meinte er es genau so.

Die moderne Kirche scheint in einem Meer der Traditionen zu treiben. Sie wird von den launischen Winden des Wandels hin und her geworfen. Und sie hat dabei die Augen vor dem strahlenden Glanz der Einfachheit des Evangeliums fest geschlossen.
Infolgedessen wurden Hebräer 6 und 10 zu »Massenverwirrungswaffen« verdreht, statt zu den Leuchtfeuern der Hoffnung, die sie eigentlich sein sollten.

Manche haben aus diesen Abschnitten, in denen »Abfall« und »kein Opfer mehr übrig« erwähnt werden, eine so düstere Geschichte gemacht, dass sich der sonnigste Tag wie ein Mitternachtsspaziergang über einen Friedhof anfühlt.

Um es gleich vorweg zu sagen: Der Hebräerbrief wurde für Juden geschrieben, die mal nach Jesus geschielt haben. Sie leben im »Alten Bund« mit seiner Vorliebe für religiöse Rituale und werden mit etwas Neuem konfrontiert. Die Botschafter des »Neuen Bundes« kommen aus der alten Religion und bezeugen: »Da war ich, das habe ich getan, dank Jesus ist jetzt alles anders.«

Der Hebräerbrief ist keine Leidensgeschichte von Glaubenden, die irgendwie den Halt an die Rettung verloren haben.
Er ist ein ernstes Wort an diejenigen, die das Evangelium wie eine Weinprobe behandeln – sie spülen einen Schluck im Mund herum, nicken anerkennend, und spucken ihn wieder aus.

Wenn von Menschen, die »abgefallen« sind, geredet wird, dann sind damit keine gemeint, die in Jesus Liebe geborgen sind und plötzlich in die Verlorenheit geschubst werden. Nein, es geht um Leute, die mal am ewigen Leben genippt haben, aber dann doch die fade Variante ihres vergänglichen Lebens bevorzugen. Das ist, als würde man ein Festmahl ausschlagen und einen alten, aufgeweichten Keks vorziehen, nur weil einem die Verpackung gefällt.

Der Autor gebraucht Wörter wie »erleuchtet« und »geschmeckt«. Und er spricht vom »Boden, der vom Regen trinkt« statt vom Boden, der nicht vom Regen trinkt.
Um die Verwirrung zu beseitigen, beruhigt er die Jesusnachfolger mit den schönen Dingen, die »ihre Errettung begleiten«. Es ist fast so, als würde er ein Schild schwenken, auf dem steht: Keine Sorge, du bist nicht gemeint! Er ist sich nur allzu bewusst, dass manche seine Worte missverstehen wollen. Und er möchte sicherstellen, dass die Jesusnachfolger deswegen keine schlaflosen Nächte haben.

Und Hebräer 10?
Da geht es nicht darum, seine Rettung zu verlieren, so wie den Autoschlüssel, der unbemerkt aus der Tasche rutscht. Es geht um den katastrophalen Fehler, die Gnade, die in Jesus verkörpert ist, zu sehen und zu sagen: »Danke, aber das will ich nicht.« Gemeint sind nicht die, die über die eigenen Füße stolpern, sondern die, die willentlich in die entgegengesetzte Richtung sprinten, weg von der Rettung durch Jesus.

Der »Alte Bund« wird mit einem Schatten verglichen. Sei mal ehrlich: Wer würde – bei klarem Verstand – einen Schatten dem vorziehen, was den Schatten wirft?
Diejenigen, die »abfallen«, verlieren nicht die Rettung; sie weigern sich hartnäckig, sie überhaupt anzunehmen, sie laufen dem Schatten nach

Die Aussagen in Hebräer 6 und 10 sind keine geistlichen Albträume, die Glaubenden den Schlaf rauben sollen. Sie sind eindringliche Aufforderungen an die Unentschlossenen, nicht wieder in den Abgrund des Unglaubens zurückzufallen, sondern sich ein für alle Mal mutig unter Gottes Gnade zu stellen.
Das neue Leben ist Gewissheit, keine Verunsicherung. Wir haben die felsenfeste Garantie der Rettung in Jesus.

Und dem, der diese Texte als Beschreibung von Unsicherheit und Angst missverstehen will, sei gesagt: Du verpasst nicht nur das Rettungsboot, sondern du paddelst auf deinem Brett mit aller Kraft in dem Rettungsboot davon.

Das Evangelium ist keine Horrorgeschichte, in der dir die Rettung wie ein Schokoriegel an einem Stock vor die Nase gehalten wird, und du versuchst bis zur totalen Erschöpfung, ihn zu schnappen.
Es ist die ultimative Liebesgeschichte, deren Ende so herrlich ist, dass wir vor Freude hüpfen sollten, nicht vor Angst zittern.

Wir sind nicht dazu berufen, uns von geistlichen Säurehemmern zu ernähren, voller Sorge, beim nächsten Schluckauf die Errettung zu verlieren. Wir sind eingeladen, die Gewissheit unserer Rettung zu feiern, denn ein Platz an Gottes Tisch ist für uns immer reserviert.
Wir wollen also die Deutung des Textes zurückerobern:

Wenn wir bewusst gegen Gottes Willen handeln, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, dann bleibt kein Schlachtopfer zur Schuldvergebung mehr übrig.
Hebräer 10,26; Das Buch, 2022

Die Warnung »Wenn wir bewusst gegen Gottes Willen handeln«, bezieht sich nicht darauf, mit dem Firmen-Kopierer seine privaten Dokumente zu kopieren. Die einzige Sünde, die im Hebräerbrief zehn Kapitel hintereinander erwähnt wird, ist die Sünde des Unglaubens.
Der Unentschlossene wird eindringlich daran erinnert, was auf dem Spiel steht. Wer das Heil durch den gekreuzigten Jesus ablehnt, hat einfach keinen Retter.

Nur Jesus kann den Menschen Rettung bringen. Nichts und niemand sonst auf der ganzen Welt rettet uns.
Apostelgeschichte 4,12; Hoffnung für alle, 2015

Wer diese Wahrheit angenommen hat, kann beruhigt sein. Deine Errettung ist keine flackernde Kerze im Wind, sondern ein hell loderndes Feuer – ein Zeugnis der unerschütterlichen Liebe und Treue unseres Retters.

Ist dir eigentlich bewusst, wie grotesk ein Leben in ständiger Angst vor einem Gott ist, der irre viel Mühe auf sich nahm, um dir zu sagen: »Fürchte dich nicht!« Man könnte denken, dass das göttliche Protokoll mit der Freudenbotschaft, das mit himmlischer Tinte geschrieben wurde, irgendwo zwischen den Perlentoren und unserem Posteingang verloren gegangen sein muss.
Welchen Grund haben wir denn für die »große Freude«?

Fangen wir mit den Grundlagen an: Jesus hat unsere Forderungen an die Sünde an sich gerissen. Ja, die ganze. Du weißt doch:

Ja, die Endabrechnung für ein Leben in der Sünde ist der Tod.
Römer 6,23; Das Buch, 2022

Jesus’ Tod am Kreuz ist die kollektive Übernahme von dem, was die Sünde uns geschuldet hat. Jesus hat es sich auszahlen lassen – für ausnahmslos jeden Menschen. Vergangene, gegenwärtige, zukünftige Sünden! Von uns genommen. Es gibt keine Sünde mehr, die zwischen Gott und Mensch steht. Lasse das sacken, bevor du anfängst, dir wegen des »Zahltags« der Sünde graue Haare wachsen zu lassen.

Zur menschengemachten Religion gehört die Angst. Meint Paulus das auch?

Wirkt nun weiterhin mit Furcht und Zittern auf eure eigene Rettung hin!
Philipper 2,12; Zürcher Bibel, 2007

Manche scheinen dies als göttliche Anweisung verstanden zu haben, mit ängstlichem Bemühen an seiner Rettung zu arbeiten. Stelle dir Gott als Töpfer vor, und wir sind der Ton – nur dass der Ton eine Panikattacke hat und überzeugt ist, sich selbst formen zu müssen.
Mir gefällt die Übersetzung:

Deshalb gehorcht Gott voller Achtung und Ehrfurcht.
Philipper 2,12; Neues Leben. Die Bibel, 2024

Es geht um den Respekt, der uns Gottes Majestät bewundern lässt, anstatt uns unter dem Bett zu verkriechen.
Vers 13 erinnert uns sanft daran, dass Gott die schwere Arbeit in uns verrichtet.

Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt zu seinem Wohlgefallen. Philipper 2,23; Einheitsübersetzung, 2016

Das ist tröstlich, nicht beunruhigend. Es geht darum, in der Gnade zu wachsen, geleitet vom Heiligen Geist.

Gottes vollkommene Liebe vertreibt jede Angst.
1. Johannes 4,18; Neue Genfer Übersetzung, 2011

Je mehr wir in Gottes Liebe versinken, desto weniger sollten uns vor Angst die Knie schlottern. Unsere Beziehung zu Gott ist eine Liebesgeschichte, in der er seinen Sohn sandte, um uns zu retten. Das ist schwer mit der Vorstellung in Einklang zu bringen, dass er uns auflauert, um uns für jeden Fehler zu bestrafen.
Es ist klar, dass Gott nicht will, dass sich in unserer Beziehung zu ihm Angst breit macht. Aber unsere Liebe zu ihm enthält eine gesunde Dosis Respekt und Ehrfurcht, die uns sagen lässt: »Wow, Gott ist großartig«. Wenn ich meine: »Wow, ich brauche eine größere Decke, unter der ich mich verstecken kann«, dann ist etwas schiefgelaufen.

Wir können das alte Bild der »Gottesfurcht« aufgeben und eine Beziehung zu Gott aufbauen, die von Liebe, Ehrfurcht und Staunen geprägt ist.
Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Angst haben, hätte er sich wahrscheinlich nicht so viel Mühe gegeben, uns seine Liebe zu zeigen, die buchstäblich nicht von dieser Welt ist. Tauschen wir also unser Zittern gegen Vertrauen ein und hören wir auf, Gott wie einen kosmischen Zuchtmeister zu behandeln. Er ist doch schon die ganze Zeit unser Retter.

Viele Gläubige haben auf Ihrer Suche nach Heiligkeit ironischerweise an einer leblosen Hülle der Religiosität festgehalten. Sie haben die Schale für den Kern gehalten.
Das schöne, befreiende Konzept der Gnade ist in etwas Unkenntliches verdreht worden. Dabei ist die Bibel doch eindeutig.

Die Sünde wird keine Macht über euch haben, denn ihr steht nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade.
Römer 6,14; Zürcher Bibel, 2007

Doch was sagt man zur Gnade? »Schmierige Gnade«, »billige Gnade« und »Übergnade«.

Die Angst, die Gnade könnte eine Flutwelle der Sünde auslösen, ist ebenso lächerlich wie tragisch. Um eines klarzustellen: Gottes Gnade ist kein himmlisches Schlupfloch, das es auszunutzen gilt, sondern ein kraftvolles Versprechen der Verwandlung.
Die Vorstellung, Gnade könne ein Freibrief für die Sünde sein, erscheint jedem absurd, der ihre lebensverändernde Kraft selbst erlebt hat.

Religiöse Menschen haben in Ihrem Eifer, sich vor einer imaginären »Lizenz zum Sündigen« zu schützen, den Kern der Sache völlig verfehlt. Anmerkung: Man scheint auch ohne Lizenz problemlos zu sündigen.

Viele Christen haben eine Lieblingsidentitätskrise. Sie beharren darauf, »schmutzige, verdorbene Sünder« zu sein, selbst nachdem sie angeblich aus dem Heiligen Geist neu geboren wurden. Das ist ein Paradebeispiel dafür, völlig das Ziel zu verfehlen.
Wie kommt es, dass die Religion nicht über ihre eigenen Widersprüche stolpert?
In dem einen Moment wird Freiheit in Jesus gepredigt und im nächsten suhlt man sich in seinem »Sündersein«.
Das Anerkennen unserer Identität als Heilige mit einem neuen Herzen ist der erste Schritt zur wahren Frömmigkeit und nicht ein Absturz in die Verderbtheit.

Und dann ist da noch die bizarre Angst vor »zu viel Gnade«, als ob es so etwas überhaupt gäbe. Meinst du, der allmächtige Gott hätte sich durch eine schusselige Fehleinschätzung vertan? »Ups, zu viel Gnade! Die Menschen könnten anfangen zu glauben, sie seien geliebt und ihnen sei vergeben. Das geht ja nun gar nicht!« So ist Gott nicht!

Die Angst vor zu viel Gnade verrät, dass jemand tragischerweise nicht mit der Natur von Gottes Gnade vertraut ist. Denn gerade sie gibt die Kraft, ein Leben zu führen, das ihn widerspiegelt.
Die Forderung nach »Ausgewogenheit« zwischen Gnade und Gesetz, als wären es Zutaten eines Rezepts, offenbart eine beklagenswerte Unkenntnis ihrer jeweiligen Rolle.

Paulus betont, dass es beim Gesetz nie darum geht, Gerechtigkeit zu erlangen. Es soll unser Bedürfnis nach Gnade aufzuzeigen.
Zu behaupten, wir bräuchten von beidem etwas, ist so, als würde man beteuern, man bräuchte eine Prise Gift, damit das Essen wirklich schmackhaft ist. In den irrigen Versuchen, die Kirche vor den angenommenen Gefahren der Gnade zu schützen, sind Barrieren errichtet worden, wo Brücken sein sollten.
Und es wird eine Botschaft der Rettung durch eigene Leistung verkündet, die Paulus vehement abgelehnt hätte. »Die Gnade hat uns hineingebracht, aber wir müssen dafür sorgen, dass wir drin bleiben«.
Ich bin für eine neue Idee: Anstatt die Gnade zu fürchten, tauche in ihre Tiefen ein. Genieße die Freiheit, die du in der Gnade findest. Und lass es dir immer wieder sagen: Du wirst vollkommen geliebt, dir ist vollkommen vergeben und durch Gottes Gnade bist du voll gerüstet, um aus dem Geist zu leben. Wende dich zum Kern des Evangeliums. Nur dann wirst du die Idee von Gottes Gnade und den damit verbundenen Wandlungsprozess begreifen.

Religion hat die frohe Botschaft des Evangeliums in etwas verwandelt, das so schmackhaft ist wie altes Brot.
Eine der schlimmen Auswüchse ist die »Prädestinationslehre«, die Behauptung, dass Gott das Schicksal eines jeden Menschen vorherbestimmt hat.
Wir wollen uns mit dem schockierend inklusiven Charakter des Evangeliums befassen, wie es kein Geringerer als der Apostel Paulus beschrieben hat. Ja, dieser Zeltmacher, der regelmäßig im Gefängnis saß und die Frechheit besaß, zu behaupten, Gottes Gnade sei für – nun gut – alle da.
»Prädestination«, wie Paulus sie verstand, ist nicht Gottes Spiel mit der Menschheit. Nein, es geht um eine Freikarte für alle – Juden, Heiden, Linkshänder und sogar für diejenigen, die nicht auf ihren Fingern pfeifen können.
Das ist, als ob man feststellt, dass der eigene exklusive Club gerade seine Türen für die Öffentlichkeit geöffnet hat, und nicht jeder ist begeistert.

Hast du dich jemals gefragt, warum sich Paulus in seinen Briefen an die Christen in Rom und Ephesus kapitellang über Prädestination und Gottes »Recht zu wählen« auslässt?
Der Grund: Er vertritt Gottes Recht, »diese schmutzigen, verdorbenen Heiden« zu retten, und verteidigt damit auch seine Aufgabe als Apostel für sie. Bevor du also Jakob, Esau oder das verhärtete Herz des Pharaos als dein Ass im Ärmel ausspielen willst, denke daran: Paulus ist sich seiner Sache vollkommen sicher.
Die Geschichten aus dem »Alten Bund« unterstreichen Gottes Souveränität, jeden auszuwählen, den er will, auch Heiden, nicht nur die Juden.
Es ging also nie darum, dass zufällige Einzelpersonen das große Los in einer Rettungs–Lotterie gewonnen haben. Jesus sagte:

Und wenn ich von der Erde erhöht worden bin, werde ich alle zu mir ziehen.
Johannes 12,32; Neue evangelistische Übersetzung, 2025

Das ist nicht nur so dahin gesagt; es ist die Mission des Kreuzes. Das Kreuz ist Gottes Magnet und zieht Menschen aus aller Welt an.
Paulus zerstört alle Illusionen der frommen Elite:

Was sollen wir nun sagen? Heiden, die nicht der Gerechtigkeit nachjagten, haben Gerechtigkeit empfangen, die Gerechtigkeit aber aus Glauben.
Römer 9,30; Einheitsübersetzung, 2016

Heiden – die nicht einmal versuchten, bei Gott zu punkten – werden an der Sache mit der Gerechtigkeit durch den Glauben beteiligten. Das ist der Beweis dafür, dass Gottes Gästeliste viel länger ist, als religiöse Menschen zugeben möchten.
Offenbar sieht Gottes Masterplan einen Überraschungsgastauftritt der Heiden vor. Der Brief an die Christen in Ephesus geht noch tiefer und präsentiert ein sprachliches Pingpong-Spiel zwischen »uns/wir« – das sind die Juden – und »ihr« – das sind die Heiden.

Er hat uns erwählt [1,4];
er hat uns vorherbestimmt [1,5];
… wir, die schon vorher auf den Messias gehofft haben [1,12];
… wurdet auch ihr durch ihn mit dem versprochenen Heiligen Geist versiegelt [1,13];
… dass ihr früher von Geburt Heiden wart [2,11];
… ihr wart damals von Christus getrennt – die ihr einst weit weg wart [2,12-13];
… er hat aus beiden eins gemacht [2,14];
… um die beiden in einem Leib mit Gott zu versöhnen [2,16];
… er kam und verkündigte Frieden euch, den Fernen [2,17];
– und Frieden den Nahen [2,17];
… denn durch ihn haben wir beide in einem Geist freien Zugang zum Vater [2,18].

Wenn du alle »Du« und »Wir« gelesen hast, siehst du, dass es hier nicht um eine himmlische Bevorzugung einzelner geht. Paulus offenbart Gottes Plan, alle Nationalitäten unter dem Banner der Gnade zu vereinen. Die wahre Bedeutung der Prädestination bezieht sich auf Gottes Plan, auch die Heiden – nicht nur die Juden – in seinen Bund der Gnade hineinzunehmen.

Möchtest du gerne als Türsteher den Zugang zu Gottes Reich kontrollieren? Lass es! Rolle lieber den »roten Teppich« aus und lade die Leute ein.

Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.
Römer 10,13; Neue evangelistische Übersetzung, 2025

Es geht nicht darum, unsere theologischen Muskeln spielen zu lassen, sondern wir sollen Gottes unterschiedslose Gnade widerspiegeln – denn denke daran: Er bevorzugt niemanden.

Wenn wir in unseren Kirchenbänken sitzen und den edlen Wein jahrhundertealter Lehren genießen, sollten wir uns nicht an unseren Fehlleistungen berauschen. Feiern wir stattdessen die skandalöse Inklusivität des Evangeliums.

Bekennen wir uns doch zur Vielfalt in Gottes Familie – mit allen Linkshändern, Grünäugigen, Rothaarigen, Queeren – und mit dir und mir.

Auch du bist ein von Gott Prädestinierter!