Der Gnade auf der Spur 4

Gott schafft sich ein Volk!


Die Beziehung zwischen Gottes Gesetz und seiner Gnade ist das häufigste Missverständnis in der christlichen Religion.
Auf den ersten Blick scheint es sofort einzuleuchten, warum eine Spannung zwischen beidem besteht. Wenn Gottes Gesetz verbietet etwas zu tun, und der Mensch tut es doch, kann man dann wirklich erwarten, dass er Gnade vor Recht ergehen lässt? Wenn er andererseits den Menschen mit Gnade überhäuft, warum hat er dann überhaupt dem Volk Israel Gesetze gegeben?
Zuweilen wird angeführt, dass man sich durch Gehorsam für Gottes Gunst qualifizieren muss. In fast allen Weltreligionen geht der Weg zum Heil über das Abarbeiten von Bedingungen, die die Religion vorgibt.
Am einfachsten versteht man das Verhältnis zwischen Gnade und Gesetz, wenn man sich die berühmteste Gesetzesliste des Volkes Israel und die Geschichte dahinter anschaut. Ich meine die Zehn Gebote.

Kennst du die Hintergrundgeschichte, warum diese Gebote überhaupt entstanden sind? Diese Geschichte ist wichtig, denn sie löst die Spannung auf, die wir zwischen Gottes Gesetz und seiner Gnade empfinden. Im Alten Testament spielt das Gesetz eine herausgehobene Rolle. Doch nur eingebettet in eine größere Erzählung, die Gottes Gnade gegenüber einer hilflosen Gruppe von Menschen betont, ergibt das Gesetz einen Sinn.
Hier nun die Geschichte der Zehn Gebote.

Gott »gelobte« Abraham, dass seine Nachkommen das Land Kanaan bewohnen werden. Er verband das mit drei Voraussagen:
Seine Nachkommen werden Fremdlinge in einem Land sein, das nicht zu ihrer Heimat wird.
Sie werden als Sklaven vierhundert Jahre schlecht behandelt.
Gott wird die Nation, die sie versklavt hat, bestrafen, und Abrahams Nachkommen werden das Land als wohlhabende Leute verlassen.
Vierhundertdreißig Jahre nachdem Abrahams Nachkommen sich in Ägypten angesiedelt hatten, war die Zahl der Israeliten auf vielleicht zwei Millionen Menschen angewachsen.
Sie hatten keine eigene Regierung; der Pharao war ihr König.
Sie hatten keine Gesetze; Ägypten herrschte über sie.
Sie kannten nur Versklavung, Unterdrückung, Armut und Hoffnungslosigkeit.
Da sie nichts anderes kannten, war ihr Gottesbild von der Vielgötterei der Ägypter geprägt. Gott gab Mose den Auftrag, die Israeliten aus Ägypten in das »gelobte« Land zu bringen. Nachdem er sie aus Ägypten herausgeführt hatte, doch noch vor der Ansiedlung im »Gelobten Land«, wollte Gott diesen Menschen ein nationales Bewusstsein vermitteln. Dazu war es notwendig, dass sie Gott so kennenlernten, wie ihn ihre Vorfahren Abraham, Isaak und Israel gekannt hatten.
Nachdem Gott seine Macht durch Wunder gezeigt, sie aus der Sklaverei befreit und den Israeliten gesagt hatte, dass sie sein Volk sind, gab er ihnen eine Reihe von Lebensregeln, und zwar nicht nur zehn. Das Gesetz des Mose enthielt mehr als sechshundert Regeln, die sich mit Ernährung, Gesundheit und Hygiene, Heirat, Kindern, Sklaven, Tieren und Eigentumsrechten befassen.
In diesen Gesetzen wird erklärt, was als Verbrechen gilt und wie es zu bestrafen ist. Ein bedeutender Teil des mosaischen Gesetzes unterweist die Nation auch darin, wie man Opfer darbringt. Wenn du schon einmal das 2. und 3. Buch Mose im Alten Testament gelesen hast, fragst du dich vielleicht: Warum so viele Gesetze? Warum so viele Einzelheiten?
Aber vergiss nicht: Es handelte sich um befreite Sklaven, Menschen, denen nationale Verantwortung fremd war. Jetzt waren sie in der Wüste. Sie hatten keine Regierung. Keinen König. Kein Rechtssystem. Keine Ahnung, wie sie sich als freie Menschen verhalten sollen. Sie hatten Mose und eine Wolkensäule, die sie durch die Wüste führten. Das war im Grunde alles.

Gott wollte aus diesen Menschen eine besondere Nation machen – mit ihm als König. Gott gab ihnen daher etwas an die Hand, das ihnen helfen sollte, dieses neue Selbstverständnis zu entwickeln. Dazu gehören auch die Zehn Gebote.
Wenn wir sie im Zusammenhang lesen, wird eines ganz deutlich: Diese zehn Worte – wie sie im Grundtext genannt werden –, zusammen mit den sechshundert anderen Anordnungen, hatten absolut nichts damit zu tun, wie man Gott gnädig stimmt oder sich seine Gunst sichert oder Anteil am ewigen Leben bekommt. Gott gab dieser Gruppe von Menschen einfach Verhaltensrichtlinien für den Alltag an die Hand, denn sie hatten keine.
Doch es handelte sich nicht um eine x-beliebige Gruppe. Es waren Menschen, die durch Abraham in einem Bundesverhältnis mit Gott standen.
Dass er den Ägyptern gegenüber seine Macht demonstrierte, offenbarte Gottes Stärke, doch nur wenig von seinem Wesen. Die ägyptische Mythologie kannte launische und grausame Götter, vor denen man sich in Acht nehmen musste. Doch was war das für ein Gott, dem Abraham vertraut hat?
Die Zehn Gebote sollten den Israeliten zeigen, dass ihr Gott nicht nur mächtig, sondern auch gut war.
Drei Monate nach dem Auszug, irgendwo zwischen Ägypten und dem Gelobten Land, forderte Gott Mose auf, sich mit ihm auf einem Berg zu treffen. Das Volk lagerte am Fuß des Berges.
Auf diesem Berg stand Mose stellvertretend für die Menschen dort unten vor Gott. Er wurde von den Worten überrascht:
Ich bin Jahwe, dein Gott!
2. Mose 20,2; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Mose muss sich gedacht haben: »Moment mal! Warum hast du gesagt ›Jahwe, dein Gott?‹« Bei einer früheren Begegnung sagte Gott doch zu ihm:
Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.
2. Mose 3,6; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Mose und die Israeliten wussten wenig über diesen Gott. Er hatte sie aus der Sklaverei befreit und versprochen, dass sie ein »Gelobtes Land« besiedeln würden.
Dieses schlichte, auf den ersten Blick unwichtige »dein« ist für Mose und die Israeliten etwas ganz Besonderes. Die Israeliten kannten keinen persönlichen Gott, der Gemeinschaft mit ihnen suchte.
»Dein Gott« – diese Worte weisen auf eine Beziehung hin. Doch die Israeliten wussten noch nichts von dieser Beziehung. Als Sklaven auf der Flucht hatten sie diesem Gott nichts anzubieten. Sie wussten nicht, wie sie Jahwe für sich gewinnen konnten! Der Ausdruck »dein Gott« zeigt aber, dass die Israeliten bereits in einer Beziehung zu Gott lebten. Gott versichert ihnen: »Ihr seid dabei. Ihr seid mein Volk.«
Als Nächstes erinnerte Gott daran, was er bereits getan hatte.
Ich bin Jahwe, dein Gott! Ich habe dich aus dem Sklavenhaus Ägyptens befreit.
2. Mose 20,2; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Diese Aussage sollte sie immer an die Ereignisse erinnern, die mit ihrer Befreiung in Verbindung standen. Durch die zehn Plagen hatte Jahwe die Götzen der Ägypter dem Spott preisgegeben. Er selbst hatte sein Volk vor den Plagen bewahrt, auch vor der furchtbaren zehnten und letzten, bei der der Erstgeborene jeder Familie starb. Der Todesengel ging an jedem Haus vorbei, dessen Türpfosten mit dem Blut eines geopferten Lammes bestrichen war.
Dieses Blut war ein Zeichen des Vertrauens auf Gottes Gnade. Auf wunderbare Weise teilte er das Schilfmeer und rettete die Hebräer vor dem ägyptischen Heer. Er gab ihnen eine Wolkensäule, der sie am Tag folgten, und eine Feuersäule in der Nacht. Auf übernatürliche Weise versorgte er sie in der Wüste mit Wasser und Nahrung.
Gott hätte sich nicht klarer ausdrücken können: »Ihr seid nicht hier, um euch mein Wohlwollen zu verdienen. Ihr seid hier, weil ich euch liebe. Ihr seid hier, weil ihr Teil meines Planes seid, der ganzen Welt meine Gnade zu offenbaren. Ihr gehört zu dem Abkommen, das ich mit Abraham gemacht habe. Vor drei Monaten, als ich euch aus den Händen der Ägypter befreite, habe ich diesen Bund mit euch erneuert.«
Gott machte dem Volk bewusst, dass es in einer Liebesbeziehung mit ihm lebt, bevor er ihnen Regeln gab. Gott gab seinem Volk das Gesetz im Rahmen einer bereits existierenden Verbindung. Und zwar in erster Linie, damit die Israeliten – stark und gesund an Körper, Seele und Geist – der Welt zum Segen werden können.

Vertrauen ist das Fundament jeder Beziehung. Das Maß an Vertrauen zeigt die Stärke der Beziehung an, und ohne Vertrauen kann es keine Beziehung geben. Deshalb sollte uns Gottes erstes Gebot nicht überraschen:
Du sollst außer mir keine anderen Götter haben.
2. Mose 20,3; Neues Leben. Die Bibel, 2024
Im ersten Gebot geht es um Gottvertrauen. Gott wirbt um sein Volk: »Ich möchte euer Gott sein, und zwar der einzige Gott, dem ihr vertraut.« Warum musste er so etwas überhaupt sagen? Weil Israel nur Ägyptens Vielgötterei kannte. Doch Jahwe wollte nicht, dass sich sein Volk mit unterschiedlichen Anliegen an spezialisierte Götzen wandte.
Nein, er wollte ihre einzige, allem genügende Quelle für alles sein, was sie brauchten. »Ich will euer Gott sein, und zwar euer einziger, weil ich tatsächlich der Eine und Einzige bin. Schenkt mir euer Vertrauen, das ist mir wichtiger als blinder Gehorsam.«
Du sollst dir kein Götterbild machen, kein Abbild von irgendetwas im Himmel, auf der Erde oder im Meer!
2. Mose 20,4; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Das zweite Gebot wirkt wie eine Wiederholung des ersten, aber es wird damit ein neuer Gedanke eingeführt. Der Mensch soll nicht versuchen, Gott irgendwie sichtbar oder anfassbar zu machen. Was auch immer das sein könnte, eine Statue, ein Bild oder sonst etwas, das ihn darstellen soll.
Die Menschen des Altertums hatten Probleme damit, dass es nur einen Gott geben könnte. Aber ein unsichtbarer Gott machte für sie überhaupt keinen Sinn. Alle Götzen waren sichtbar. Man verneigte sich vor ihnen, brachte Opfer dar – wenn es sein musste, auch einen Menschen –, betete sie an. Man gab den Statuen sogar etwas zu essen und anzuziehen und versuchte, sie zu besänftigen und sie gnädig zu stimmen.

Aus zwei gewichtigen Gründen verbot Jahwe seinem Volk, Bildnisse von ihm anzufertigen.
Zum einen lässt sich Gott einfach nicht darstellen.
Er ist in jeder Hinsicht absolut einzigartig und undarstellbar.
Was der Mensch sich auch ausdenken mag, er ist immer größer.
Welche Wunder der Natur wir auch beobachten mögen, er ist majestätischer.
Welche Kräfte im Universum wir auch entdecken, ihm ist niemand ebenbürtig.
Gott wollte nicht, dass sein Volk versucht, ihn »in den Griff« zu bekommen; aus ihm jemand zu machen, dem man einen Besuch abstattet, und dann wieder geht; etwas, das man als Werk der eigenen Hände manipulieren kann.
Wirf dich niemals vor ihnen nieder und verehre sie auf keinen Fall!
2. Mose 20,5; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Zweitens wollte Gott nicht, dass sich sein Volk einem Objekt aus Holz, Stein oder Metall sklavisch unterwarf, wenn es doch einen lebendigen Gott hatte, der sie befreit hatte und bereit und willens war, sie zu führen und zu bewahren.

Während Mose oben stellvertretend für sein Volk die Gebote aus Gottes Hand entgegennahm, forderten unten die Israeliten von Aaron, Moses Bruder, ein goldenes Kalb anzufertigen. Mit dem unsichtbaren Gott, der wirklich und wahrhaftig existiert und zu ihnen gesprochen hat, gaben sie sich nicht zufrieden. Sie wollten einen sichtbaren Götzen, der nur ein Produkt ihrer Fantasie war. Den Gott, der sie auf wunderbare Weise aus der Sklaverei befreit hatte, ließen sie links liegen, um einen Götzen anzubeten, den sie beherrschen und nach Lust und Laune manipulieren konnten.

Wenn wir die Geschichte lesen, erleben wir die Szenen auf dem Berg und im Tal mit. Auf dem Gipfel bestätigt Gott seinen Bund mit den Israeliten, während ihm das Volk unten den Rücken zukehrt und sich einem goldenen Kalb zuwendet.
Jahrhunderte später sagt Gott durch einen Propheten:
Habt ihr mir vierzig Jahre Schlacht- und Speisopfer gebracht, damals in der Wüste, Haus Israel?
Oder habt ihr nicht schon damals den Sikkut, euren Himmelskönig, getragen, und Kiun euren Sternengott? Götter von euch selbst gemacht!
Amos 5,25-26; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Im nächsten Gebot kam er auf die Frage der religiösen Autorität zu sprechen.
Du sollst den Namen Jahwes, deines Gottes, nie missbrauchen!
2. Mose 20,7; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Es ist wichtig, Gottes Namen ehrfürchtig zu gebrauchen, doch er gab dieses Gebot nicht, um die Israeliten davon abzuhalten, seinen Namen auszusprechen. Hier geht es um etwas Tieferes.
Der Mensch soll Gottes Namen nicht mit etwas in Verbindung bringen, was Gott nicht selbst mit seinem Namen in Verbindung gebracht hat.
Das bedeutet unter anderem, dass niemand sich auf Gott berufen soll, um seine eigenen Ziele durchzusetzen.
Gott wollte der gerade entstehenden Nation Israel eine Art Verfassung geben, die aus Hunderten von Paragrafen bestand. Er wusste, Menschen, denen Gottes Güte nicht gefällt und die ihm nicht vertrauen, würden bald nach Schlupflöchern suchen. Schlimmer noch, Menschen würden versuchen, Gottes Namen, seine Autorität zu missbrauchen, um ihre eigenen Ideen durchzusetzen und ihnen göttliches Gewicht zu geben.

Zu Jesus Zeit gab es eine religiöse Tradition, mit der die Menschen ihre weltlichen Güter Gott übereigneten. Das war eine Art Vermögenssicherung.
Praktisch sah das so aus, jemand, der reich war, setzte ein Schriftstück auf, in dem stand: „Gott, all mein Hab und Gut gehört jetzt dir. Ich verwalte und nutze es zwar noch bis ich sterbe. Wenn du es aber jetzt schon gebrauchen willst, sag einfach Bescheid.“ Das wurde im Tempel hinterlegt.
Wenn die Eltern dann im Alter Unterstützung brauchten, entgegnete so ein Scheinheiliger: „Ich würde euch ja so gern helfen, Mutter, Vater, aber ich habe meinen gesamten Besitz Gott übereignet, ich verwalte es nur für ihn. Ihr wollt euch doch nicht am Eigentum des Herrn vergreifen, oder?“
Mit diesem Kniff benutze man also Jahwes Namen, um seinen eigenen habgierigen Plänen einen frommen Schein zu verpassen.
Jesus ging hart mit solchen Leuten ins Gericht:
Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft und haltet dafür eure eigenen Vorschriften ein.
… und setzt so Gottes Wort durch eure eigenen Vorschriften außer Kraft.
Markus 7,9. 13; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Durch die Geschichte der Menschheit hindurch, missbrauchen religiöse Autoritäten Gottes Namen, um ihre eigenen Ideen durchzusetzen. Die Folgen waren und sind widerwärtige Grausamkeiten. Kreuzzüge. Inquisition. Religionskriege. Hexenverbrennungen. Ethnische Säuberungen. Terrorismus. Seelischer und körperlicher Missbrauch, usw.
Ich nehme an, jeder kennt religiöse Autoritäten, die Gottes Namen missbrauchten, um bestimmte Regeln oder Verhaltensmuster durchzusetzen. Und wenn Menschen es wagten, sich »Gottes Willen« nicht zu beugen, wurden sie körperlich oder seelisch bestraft.
Genau das wollte Gott verhindern. Er gab dieses Gebot, genau wie die ersten beiden, damit die Beziehung der Hebräer zu ihm stabil und gesund blieb.
Während die ersten drei Gebote die Beziehung zwischen Gott und Mensch erklären, fordert das vierte zum Feiern auf.
Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!
2. Mose 20,8; Einheitsübersetzung, 2016
Jeder Israelit sollte einen Tag in der Woche frei haben.
Das Wort »Sabbat« leitet sich vom hebräischen Begriff für »aufhören« ab. Gottes Volk sollte aufhören zu arbeiten und sich volle vierundzwanzig Stunden lang Ruhe gönnen. Der Grund für das Ruhenlassen der Arbeit findet sich im Schöpfungsgeschehen. Gott hielt inne, weil er seine Arbeit vollbracht hatte. Er feierte, weil alles sehr gut war. In sechs Tagen hatte er der Menschheit alles zur Verfügung gestellt, was sie brauchte.
Gott gab den Israeliten den Sabbat, um sie ständig daran zu erinnern, dass er für sie sorgte und sie sich auf ihn verlassen können. In diesem Erweis seiner Gnade durften sie Ruhe finden.

Nachdem die Israeliten Ägypten verlassen hatten, waren sie weder geistig noch organisatorisch in der Lage, sich in dem versprochenen Land als Nation anzusiedeln. Wie sich herausstellen sollte, waren vierzig Jahre nötig, um aus den Sklaven ein Volk zu machen. In dieser Zeit starben alle – außer Josua und Kaleb –, die beim Auszug aus Ägypten älter als 20 Jahre waren, in der Wüste.
Auf der Wanderung konnte man nur eine begrenzte Menge an Nahrung und Wasser mitnehmen. Als die Vorräte zur Neige gingen, begannen sich die Leute bei Mose zu beschweren:
Hätte Jahwe uns doch in Ägypten sterben lassen, als wir an Fleischtöpfen saßen und genug Brot zu essen hatten! Aber ihr habt uns dort herausgeführt und in diese Wüste gebracht, damit wir alle verhungern!
2. Mose 16,3; Neue evangelistische Übersetzung, 2025
Oder:
Warum hast du uns bloß aus Ägypten geführt? Etwa damit wir, unsere Kinder und unser Vieh verdursten?
2. Mose 17,3; Neues Leben. Die Bibel, 2024
Eines Morgens wachten sie auf und entdeckten eine weiße, körnige Substanz auf dem Erdboden. Sie fragten einander: „Man hu?“, hebräisch für »Was ist das?«
Daher nannten sie diese Nahrung, die von nun an täglich morgens am Boden lag, »Manna«. Durch diese tägliche Versorgung, sollte das Volk Israel lernen, dass Gott sie liebt und versorgt. Sie können sich wirklich auf ihn verlassen und ihm vertrauen.
Er wollte ein neues Umfeld für sie schaffen, in dem man ihm vertraut. Die göttliche Fürsorge sollte sich fest im Bewusstsein verankern. Es sollte unauslöschbar in ihnen eingebrannt sein, dass sie von Gott alles bekommen, was sie brauchen. Nicht der Boden, nicht die Wirtschaftslage, nicht ein König oder Verbündete im Ausland gaben ihnen das, was sie zum Leben nötig hatten.

Gott wies das Volk an, immer nur so viel zu sammeln, wie man für einen Tag braucht. Sie sollten darauf vertrauen, dass er am nächsten Morgen wieder für sie sorgen würde. Nicht verbrauchtes Manna verdarb über Nacht. Eine bemerkenswerte Ausnahme gab es allerdings. Am sechsten Tag sollten sie für zwei Tage sammeln. Jeden Morgen gab es frisches Manna, ausgenommen am siebten Tag. Das war der Tag, den Gott zum »Tag des Aufhörens« erklärt hatte. Das vierte Gebot war eine echte Herausforderung für das Vertrauen.
Menschen, die seit Generationen nichts anderes kannten, als sieben Tage in der Woche für das nackte Überleben zu schuften, sollten lernen, dass Gott sie sieben Tage in der Woche versorgt, auch wenn sie nur sechs Tage arbeiten.
Das Volk Israel war wohl die erste Nation auf Erden, die einen gesetzlich geregelten arbeitsfreien und bezahlten Ruhetag bekam. Und zwar für alle, ohne Ausnahme.
An diesem Tag sollst du nicht arbeiten. Das gilt auch für deine Söhne und Töchter, deine Knechte und Mägde, dein Vieh und die Ausländer, die bei dir leben.
2. Mose 20,10; Neue Genfer Übersetzung, 2011
Alle sollten dieses göttliche Geschenk des »Aufhörens« feiern. Das unverdorbene Manna am siebten Tag erinnerte jede Woche daran, dass Gott absolut vertrauenswürdig ist.

Auch das vierte Gebot bestätigt, dass Gott bereits eine Beziehung zu seinem Volk Israel pflegte. Israel sollte diese Beziehung erkennen und im Vertrauen auf Gott darin leben. Er lud die Hebräer ein, sich auf ihn zu verlassen und infolgedessen die Fülle des Lebens zu genießen, geistlich und sicher auch materiell.
In der Geschichte vom Auszug aus Ägypten und den Zehn Geboten wird ein wesentlicher Aspekt von Gottes Wesen deutlich. Wenn uns das entgeht, werden wir nicht erkennen, welche Rolle Gottes Gesetz im Rahmen der Beziehung zum Volk Israel spielt. Schlimmer noch, wenn der Sinn und Zweck von Gottes Gesetz missverstanden wird, wird seine Gnade für immer ein Rätsel bleiben.
Gott hat sich aus freien Stücken entschieden, Menschen seine Gnade zu erweisen. Der Mensch antwortet darauf mit Vertrauen. Und dieses Vertrauen macht aus einem Sünder einen Menschen, der Gottes Gerechtigkeit ist. Gott gab aus Gnade einer großen Menge befreiter Sklaven, die sein auserwähltes Volk auf dieser Erde werden sollen, eine Satzung in die Hand, mit der sie gerüstet waren, ein Segen für die Menschheit zu werden.
Diese Gebote wurden dem Volk Israel nicht gegeben, weil Gott mit ihnen in Beziehung treten wollte. Diese Gebote wurden einem Volk gegeben, zu dem Gott bereits eine Beziehung hatte.
In meinem folgenden »Impuls für gelebtes Gottvertrauen« betrachte ich die nächsten Gebote.
Gott hat die Nachkommen Israels eingeladen, in ein Bündnis mit ihm einzutreten. Damit sie das Beste aus dieser Beziehung machen konnten, gab es Regeln. Das Gesetz hatte ein Verfallsdatum und wurde dann außer Kraft gesetzt – aber nicht, weil es etwas Schlechtes war, das man endlich abschaffen konnte, sondern weil es etwas Gutes war, das seinen Zweck erfüllt hatte.

Der Bund, in den Jesus uns einlädt, überbietet den vorangegangenen weit. Was für Israel eine Zukunftsvision war, ist für uns Wirklichkeit. Wir leben als errettete Jesusnachfolger schon jetzt in Gottes ewigem Reich.

Diese Gewissheit wünsche ich dir.